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Fairer Handel & Globales Lernen

Highlights: TransFair - Fairtrade (1992/93)


Weil ich das Glück hatte, zum richtigen Zeitpunkt (Anfang der 1990er Jahre) am richtigen Ort zu sein (Geschäftsführer der EZA Fairer Handel, damals noch: EZA 3. Welt), durfte ich zu einem der Initiatoren der Ausweitung des Fairen Handels in den breiten Lebensmittelmarkt werden.

Das zentrale Instrument für diese Ausweitung war und ist bis heute das FAIRTRADE-Siegel.

Damals galt es, eine Organisation ins Leben zu rufen, welche diesem Gütesiegel die nötige Glaubwürdigkeit verleihen und es dann im Markt etablieren sollte. Eine große Herausforderung in diesem Zusammenhang bestand darin, die vielen Zweifler*innen in den Reihen des Fairen Handels von der Richtigkeit und Wichtigkeit dieser Initiative zu überzeugen und sie für diesen Weg raus aus der Nische zu motivieren. Viele fragten sich damals, wie sich die seit 1975 gewachsenen Strukturen (das waren vor allem die damals noch so genannten Dritte-Welt-Läden sowie die zumeist Kirchen-nahen Aktionsgruppen) entwickeln würden, wenn es wirklich gelingen sollte, fair gehandelte Produkte in den üblichen Sortimenten der großen Lebensmittelketten zu platzieren.

Viele Treffen, Vorträge, und manche heißen Diskussionen der Jahre 1991 und 1992 drehten sich um dieses eine Thema "Supermarkt, ja oder nein?", bis im November 1992 die erste öffentliche Präsentation der Idee erfolgen konnte. Im März 1993, nachdem zwei Monate vorher der Nichtuntersagungsbescheid durch die Vereinsbehörden ergangen war, fand die Gründungsversammlung des neuen Vereins "TransFair Österreich" in Wien statt.

Einige Rückblicke:

25.11.1992   Programm der Erstpräsentation

25.01.1993   Der Nichtuntersagungsbescheid

30.03.1993   Gründungsversammlung: mit Helmut Adam (li.), dem ersten Geschäftsführer,
und Helmuth Hartmeyer (re.), dem ersten Vereinsvorsitzenden

28.09.2023   ...und dieselben drei Personen beim 30-Jahres-Jubiläum von FAIRTRADE


2023 konnten 30 Jahre FAIRTRADE gefeiert werden. Als eine unter vielen Aktivitäten dazu fand am 28. September 2023 der FAIRTRADE-Kongress "the future is fair" in Wien statt. Alle wichtigen Informationen und einen kompletten Video-Rückblick zu diesem Event gibt es auf der Webseite von FAIRTRADE.

Die Gründung des Vereins "TransFair Österreich" im Jahre 1993 brachte den klassischen Fairen Handel gewaltig unter Druck. Auch wenn sich die ersten Jahre für TransFair als schwierig erweisen sollten, so musste doch davon ausgegangen werden, dass über kurz oder lang mehr und mehr fair gehandelte Produkte den Weg in die Supermärkte finden würden, und damit erstmals eine starke Konkurrenz für die Dritte-Welt-Läden entstehen würde.

In enger Zusammenarbeit zwischen dem Zusammenschluss der Läden, der damaligen ARGE Dritte-Welt-Läden, und der EZA 3. Welt entstand hieraus das sogenannte Professionalisierungsprogramm für die Läden, die sich ab 1995 in "Weltläden" umbenannten, in großer Zahl an zentralere Standorte umzogen und mit den steigenden Umsätzen auch eine Halbtagskraft bezahlen konnten: der klassische Faire Handel (der sich durch sein zu 100% faires Sortiment auszeichnet) war auf dem Wege von der Almosen-Mentalität hin zu einer attraktiven und wirtschaftlich überlebensfähigen Alternative zu anderen Einkaufsorten. 

Bei zwei Mitstreiter*innen der allerersten Stunde möchte ich mich an dieser Stelle besonders bedanken: ohne sie hätte ich meine Rolle in diesem Zusammenhang nicht spielen können.

Barbara Kofler:

Die langjährige Geschäftsführerin der ARGE Weltläden stand von Anfang an der Idee einer Ausweitung des Fairen Handels im Interesse der Produzent*innen sehr positiv gegenüber, und ließ nichts unversucht, um möglichst alle österreichischen Weltläden auf diese Reise in unbekannte Gefilde mitzunehmen. Bei der anschließenden Professionalisierung der Weltläden war sie über viele Jahre die treibende Kraft.


Helmuth Hartmeyer:

Als Generalsekretär der damaligen AGEZ - Arbeitsgemeinschaft Entwicklungszusammenarbeit (der Vorläuferorganisation der heutigen AG Globale Verantwortung) konnte er seine Mitgliedsorganisationen davon überzeugen, zu Gründungsmitgliedern von TransFair Österreich zu werden, und damit die inhaltliche Glaubwürdigkeit des FAIRTRADE-Siegels breitestmöglich abzusichern. Er war von 1993 und 1996 der erste Vorsitzende des neuen Vereins und wurde wegen seines Einsatzes in der Aufbauphase zum Ehrenmitglied des Vereins ernannt.


Mehr zu diesen Jahren des Aufbruchs des Fairen Handels und den grundsätzlichen Fragestellungen und Entwicklungen findet sich in dem Buch "Das Prinzip Fairtrade. Vom Weltladen in den Supermarkt" von Caspar Dohmen, Berlin, orange-press, 2017.
Das Buch hat seinen Schwerpunkt in der Beschreibung der Entwicklungen in Deutschland. Die internationale Dimension des Fairen Handels kommt dabei trotzdem nicht zu kurz, und auch Österreich kommt immer wieder vor. Das Buch hält selbst für (ehemalige) Insider*innen viele interessante Einblicke bereit, behandelt auch kritische Aspekte und bietet viel Stoff zur Diskussion um mögliche Zukunftswege für den Fairen Handel.

Das Buch kann in jeder lokalen Buchhandlung bestellt werden.